Was passiert eigentlich nach der Schule mit euch?

Am Freitag, dem 24.02.2023 um 18.30 Uhr sitze ich in der Aula des Homburgischen Gymnasium Nümbrecht und schaue das Theater-Stück des Q2 – Literaturkurses „Memento Mori„. Eine sehr unterhaltsame Darbietung zum Thema Tod, Heldentum und unserem Umgang damit. Von den Schülerinnen selbst geschrieben, produziert und aufgeführt. Für mich persönlich besonders spannend, da eines meiner Kinder für die Technik des Abends mitverantwortlich war. Ton, Licht und alles was sonst noch für so ein Stück notwendig ist. Wer sich jetzt fragt, was das mit Kaizen und Unternehmensentwicklung zu tun hat, der sollte wohl besser weiterlesen.

Mehr als eine Rolle

Da ich selbst einige Jahre meiner Jugend in einem Laientheater gespielt habe, ist mir klar, welche Arbeit in einer solchen Aufführung steckt. Die Schülerinnen der Oberstufe Q2, haben mit sehr viel Hingabe und Leidenschaft ihre Rollen gespielt. Ich fand die gesamte Geschichte sehr unterhaltsam! Hier und da, wurde mit Witz, Ironie oder Sarkasmus zum Schmunzeln und Lachen eingeladen. Eine echt tolle Darbietung, bedenkt man, dass die Schüler nicht nur das Schauspiel hervorragend gemeistert haben. Sie haben auch den Großteil der Umbauten und Umräumarbeiten für das Bühnenbild gemeistert – im Dunkeln! Okay, etwas Licht gab es natürlich schon, jedoch nicht mehr als nötig. Was mir aus einer guten Position im Publikum die Möglichkeit gab, diese jungen Talente genau zu beobachten. Wie sie sich absolut top koordiniert bewegten und die kurzen Pausen nutzten, um alles für die nächste Szene vorzubereiten. Man bekommt schnell das Gefühl, dass es für die Schülerinnen weit mehr als nur eine Rolle ist. Sie sind Teil von etwas Großem und blühen wirklich vollkommen auf in ihren „Rollen“. Als Schauspieler und Teil eines wertschöpfenden Teams.

Szenenwechsel

Szenenwechsel – Ich befinde mich in einem Gespräch mit einem Unternehmer. Eher älteres Semester. Wir unterhalten uns über Lehrlinge und Praktikantinnen, die sich in seinem Unternehmen „schlecht einbringen“. Er ist der Überzeugung, dass die jungen Menschen, absolut nie diesen Ansprüchen gerecht werden, die früher von den meisten Schülerinnen ohne weiteres erfüllt worden sind. Nach seinem Gefühl sind selbst Abiturientinnen nicht in der Lage eine einfache Aufgabe zu rechnen oder das zu tun, was man ihnen aufträgt. Dem entgegne ich mit der Frage: Warum man ihn Aufgaben gibt und Wege festlegt, statt sie mit einer Zielrichtung auf ihren Weg zu schicken? Ich habe das Gefühl, dass hier zweierlei Sichtweisen aneinander vorbei denken. Es sind einmal die Unternehmerinnen, die ihre Strukturen aufgebaut, eingeschliffen und perfektioniert haben und denen am liebsten jegliche Veränderung fernbleibt. Und dann sind da die jungen Schülerinnen, die mit den richtigen Rahmenbedingungen und der richtigen Motivation ohne weiteres jede innovative Problemlösung entwickeln können und auch möchten. Nur eines möchten die jungen Schülerinnen nicht: Auf alte Trampelpfade geschickt werden, wenn sie selbst in der Lage sind, neue Wege zu ergründen. Wie komme ich auf diese Idee, dass Schülerinnen eigentlich perfekt sind für die jetzige Zeit, jedoch Unternehmerinnen gefügige Mitarbeiter erwarten, die aber überhaupt nicht mehr zu den Problemen dieser Zeit passen?

Multifunktionale Rollen

Szenenwechsel – Zurück beim Theaterstück muss ich feststellen, dass alle Handgriffe beim Szenenwechsel perfekt passen. Alle Schauspielerinnen sind gleichzeitig auch in den Bühnenbau integriert. Absprachen finden per Signal, Handzeichen oder auch einfach auf kleinen kurzen Zuruf statt. Ich bin sehr beeindruckt von dem regen Treiben auf der Bühne im Halbdunkeln des Szenenwechsels. Wie kann man mutmaßen, dass diese Menschen nicht in der Lage wären Probleme zu lösen? Ich glaube, dass die Hauptproblematik in den Erwartungen der Unternehmen liegt. Ich glaube, dass es hier ein Missverständnis gibt, nicht auf Seiten der Schülerinnen und der jungen Menschen, sondern aufseiten der Unternehmen! Die Schülerinnen sind darin geübt, verschiedene Rollen in der gleichen Institution einzunehmen. Nur denken viele Unternehmen noch in Stellenbeschreibungen, Vollzeitstellen und Berufsbezeichnungen. Wie unflexibel das ist, wird oft erst klar, wenn es zu spät ist.

Was passiert eigentlich nach der Schule?

Junge Menschen, die es geschafft haben, sich durch dieses Schulsystem zu quälen, ohne dabei vollständig zu verzweifeln oder depressiv zu werden, sind anschließend für manch einen Unternehmer „zu faul und zu unselbstständig“. Da ich selbst auch schon aufgrund solcher Annahmen angeeckt bin, weiß ich das gut einzuschätzen. Ist Selbstständigkeit nicht auch die Fähigkeit zu hinterfragen? Denn oft ist es eben nicht die fehlende Selbstständigkeit, die kritisiert wird, sondern die unangenehmen Fragen. Gefragt ist jetzt, wer seine Arbeit nicht nach Plan oder Vorschrift durchführt, sondern seine Handlungen hinterfragt. Wer versucht kontinuierlich einen anderen, vielleicht besseren Weg zu gehen. Das ist allerdings für Unternehmen eher unangenehm, wenn man am Status Quo festhalten möchte.

Wie Steve Jobs Mal gesagt hat: „Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.“ Das ist allerdings das Problem, dass viele Unternehmen in der heutigen Zeit haben. Junge Menschen kommen mit Ideen, Veränderungen und Offenheit in ein Unternehmen, indem man jedoch Loyalität, Anpassung und Gehorsam von ihnen erwartet. Das was sie mitbringen ist halt unbequem, da es herausfordert, dass man als Unternehmen oder Team aus der Komfortzone kommt.

Performance ist das was zählt…

Szenenwechsel – Diesmal sind wir bei einem X – beliebigen Supermarkt, in dem zwei Generationen in einer außergewöhnlichen Disziplin antreten dürfen. Rentnerinnen und Abiturientinnen füllen im Akkord die Regale wieder auf. Meist samstags ein herzliches Schauspiel auf seine Weise. Nicht selten, schaffen die Schüler die doppelte oder dreifache Menge in der gleichen Zeit. Was jedoch auffällt, wenn der Marktleiter vorbeikommt, ist die Häufigkeit, mit der die Schülerinnen am Smartphone sind. Gut, die Renterinnen sind oft schon mit dem Unterschied zwischen WhatsApp und Browser überfordert. Ich mache ihnen da auch kein Vorwurf draus, doch statt zu fragen und zu lernen, von den Schülerinnen, wird lieber gemeckert und gemotzt. Schade, oder? Würden hier die Perspektiven gewechselt, könnte man sicher sehr viel voneinander lernen.

Wie vorbereitet kann man sein?

Szenenwechsel – Wir sind am AntoniusKolleg in Neunkirchen-Seelscheid, es findet gerade eine „Berufsfachmesse“ für die Schüler des Gymnasiums und der Gesamtschule statt. Ich habe das große Glück, mit der Firma Stommel Haus vor Ort zu sein. Wir kommen dort mit interessierten und super vorbereiteten Schülerinnen ins Gespräch. Mein persönliches Fazit dieser Veranstaltung: Unverzichtbar, und zwar für die Unternehmen! Die Schülerinnen haben sehr konkrete und nachvollziehbare Fragen gehabt. Wie sollen sie eine Idee davon bekommen, welche Möglichkeiten sie in den Unternehmen haben? Warum wollen sie so genau wissen, wo sie da ihre Ausbildung beginnen? Schülerinnen bekommen in Gesprächen unter Freunden maximal mit, wessen Eltern in welchen Berufen gestresst, unzufrieden und unglücklich sind. Dass sie nicht einfach jede X – beliebige Ausbildung anfangen, finde ich nicht sehr verwunderlich. Viele der Unternehmen dort waren sehr offen und an den Schülerinnen interessiert. Wir konnten einige Praktikantinnen und mögliche Auszubildende für das nächste Jahre gewinnen. Wir konnten die Schülerinnen vor allem in ihrem Setup Schule erleben und WIR haben UNS vorgestellt. Viel effektiver, weil dort eine Vorauswahl für die Schüler möglich war. Diese Veranstaltung wurde von der Elternpflegschaft ins Leben gerufen und organisiert. Die Schülerinnen waren nicht aus Langeweile so gut vorbereitet. Solche Events sollten Standard an jeder Schule sein. Gerne von Eltern und Schüler organisiert.

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden

Soren Aabye Kierkegaard (1813 – 1855)
Warum verhindern so viele Unternehmen ihre Weiterentwicklung?

Wer von Schülerinnen erwartet, dass sie einfach die alten Wege weitergehen, der landet in einer Sackgasse. Jugendlichen sind neugierig und forsch. Sie wollen nicht wie die Erwachsenen sein und das hat seine Ursache ganz tief in unserer Natur. Wären alle Kinder Irgendwann genau wie ihre Eltern, gäb es keine Evolution mehr. Wenn die Wirtschaft in Deutschland nach Innovation ruft, muss sie sich in erster Linie an die eigene Nase fassen. Inhaber, Management und Investoren stehen teilweise mit beide Füßen auf der Bremse und sehen vor lauter Qualm die Umgebung nicht mehr. Fachkräftemangel ist hausgemacht und eine Einbildung der Personalverantwortlichen. Warum behindern Menschen Veränderung? Wer diese Frage beantwortet haben möchte, sollte nicht die Schülerinnen Fragen, sondern die Verantwortlichen im Jetzt und Hier! Ich persönlich bin von einer sehr positiven Jugend beeindruckend und wünsche mir den Raum und die Rahmenbedingungen, damit sie dieser Welt verbessern können.