Es war mal wieder Frederic Laloux, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Das erste Mal, mit seinem Bestseller „Reinventing Organisations“. Dort analysiert und beschreibt er Unternehmen, die einen Weg gefunden haben, besonders Sinn stiftend zusammen zu arbeiten. Die sogenannten „Räume“ für Menschen im Unternehmen öffnen und beschützen, in denen sie sich gemeinsam weiterentwickeln können. Dieses Buch ist inzwischen ein Meilenstein, durch dessen Impulse sich die Arbeitswelt maßgeblich verändert. Auch mich hat dieses Buch stark beeinflusst und inspiriert. Das zweite Mal habe ich ihn in einem Interview mit Frank Eilers gehört. Dort regt Frederic an, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn es keine Werbung gäbe? Was für eine Vorstellung! Auf diesem Gedanken habe ich Tage lang herumgekaut. Vielleicht mit der von Frederic geforderten Geduld. Wozu machen Unternehmen Werbung? Wem dient die dafür aufgebrachte Energie? Dem Kunden? Verpasst er möglicherweise etwas, wenn es die Werbung nicht gibt? Nun, es gibt ja diesen alten Ausspruch:
„Was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß.“
Volksmund
Die nächste Frage wäre, was würde ich tun, wenn ich mein Problem kenne, jedoch keine Lösung vorhanden ist? Gut, der Mensch hat immer schon seine Probleme mit entwickelten Lösungen gelöst. Braucht es dafür ein Unternehmen, dass Lösungen für Probleme designt, um diese dann als die eine ultimative Lösung für alle ähnlichen Probleme zu verkaufen? Das ist schwieriges Gelände, auf dem wir uns hier gedanklich bewegen. Ich weiß nicht, wie viele Diskussionen ich schon auf LinkedIn oder in Gesprächen unter Freunden, Bekannten oder Kollegen geführt habe. Ich möchte hier mal kurz ausholen, um welchen Gedanken genau es mir geht:
Ich bin ja im „Kaizen-Universum“ zu Hause und bin ein großer Verfechter der konsequenten Umsetzung von Prinzipien, solange sie einen Sinn ergeben. Da gibt es beispielsweise den Gedanken von Toyota, nur die Autos herzustellen, die vom Kunden auch bestellt wurden. Also nur auf einen Auftrag, der das Produkt durch die Fertigung zieht. Diesem Auftrag liegt, bei einem qualifizierten Vertrieb, möglicherweise ein realer Bedarf zugrunde. Das nennt man das „Pull-Prinzip“. Es ermöglicht die Herstellung von Produkten, die garantiert einen Bedarf decken. Es gibt dann bereits einen Kaufvertrag und möglicherweise auch schon eine Anzahlung. Bevor man dieses Pull-Produktions-Prinzip verstanden hat, wurde vermutet, dass ein bestimmtes Produkt einen Bedarf erweckt und man hat dann auf Vorrat produziert. Waren die Lager voll und die Nachfrage klein, mussten die Preise runter, um die Waren absetzten zu können. Die Gewinnspanne sinkt oder der Hersteller zahlt am Ende darauf, was durch die nächste Gewinnspanne abgefangen werden muss. Also entsteht im schlimmsten Fall ein „Teufelskreis“, in dem man die vorproduzierten Waren am Ende eines Bedarfszyklus durch neue Produkte abfangen muss, da man sonst den vorproduzierten Bestand quasi verschenken würde. Eine sogenannte „Mischkalkulation“, die am Ende der Kunde bezahlt. Doch, will er das? Der Kunde möchte nur sein Problem lösen, das Unternehmen löst jedoch auch die eigenen Probleme mit dem Kapital des Kunden. Wer qualitativ hochwertig produziert, sollte nicht nur das Ergebnis betrachten, sondern ein besonderes Augenmerk auf den Weg haben. Um die eigenen Probleme zu kaschieren, haben sich Unternehmen einfach immer aufwendigere Werbe-Abteilungen aufgebaut.
Die Werbung ist eine Lösung für ein selbst gemachtes Problem. Sie erzeugt einen „künstlichen“ Bedarf, der die vorproduzierten Waren an den „Verbraucher“ bringen soll. Wie spannend, schon allein die Begrifflichkeiten diesbezüglich sind. Kunde, Benutzer oder Bedürftigen, hört man seltener. Verbraucher oder Konsument, ist schon eher die Bezeichnung, für die Menschen an denen man sich auszurichten behauptet. Auch die Entwicklung der Produkte, die anfangs für die „Ewigkeit“ hergestellt werden, und im Laufe des Produktlebens immer stärker zum „Verbrauchsprodukt“ werden. Wo man früher ein PKW für einen Zeitraum von 15-20 Jahren gekauft hat, muss inzwischen alle 3-4 Jahre ein neues Leasing-Modell gekauft werden. Das alte ist noch nicht mal ansatzweise verbraucht, geschweige denn defekt. Auch diese Entwicklung dient dem Selbstzweck der Automobilindustrie. Herstellen, des Herstellens wegen. Würde man mit den Kunden über einen realen Bedarf sprechen, über zu lösende Probleme und das regelmäßig in kurzen Abständen, würde das die Produkte individualisieren. Viele Lösungen, die zum Weiterentwickeln einladen. Nicht „Lösungsmüde“ zu werden, ist eine Entwicklung von guter regelmäßiger Kommunikation. Ich halte es, ähnlich wie Frederic Laloux im Podcast-Gespräch mit Frank Eilers. Ich würde Dich bitten, den Podcast wirklich anzuhören. Ich verspreche, es lohnt sich schon wegen der Sichtweisen …
Wenn ein Unternehmen und die Menschen, die dort arbeiten, einen Plan B haben, können sie sehr viel mutiger handeln. Was ist dann jetzt das eigentliche Problem an der Werbung? Ich denke, die Kommunikation. Warum? Sie behauptet, „die eine“ Lösung anzubieten. Was ja quatsch, ist, da es mindestens eine Alternative gibt. Okay, vielleicht ist die Luft zum Atmen alternativlos und auch Wasser als Bestandteil unseres Körpers. Die „Lösungen/Produkte“ von Werbenden, sollen den Eindruck vermitteln, dass sie einzigartig und absolut sind. Kein Plan B. Kein Mut. Wie sieht es damit aus, uns als Unternehmer selbst zu hinterfragen? Wie sieht es aus mit klugen Alternativen? Warum kommunizieren Unternehmen nicht, statt zu werben? Warum unterhalten sich Unternehmen und Kunden nicht über die Alternativen, die uns real und regional weiter bringen? Die Unternehmen können, von einer guten Beziehung zu ihren Kunden mehr profitieren, da sie sich immer an den aktuellen Bedarf anpassen. Es ist heutzutage oft die Rede von Agilität und Resilienz, beides Fähigkeiten, die moderne Unternehmen zu erlernen versuchen. Anpassung an den realen Bedarf unter den gegebenen Umständen. Also, so wenig wie möglich „für die Katz herstellen“. Das ergibt sich, wenn eine gute Beziehung zum eigenen Kunden gepflegt wird.
Abschließend kann ich vielleicht anregen, diese Gedanken von Laloux, Eilers, Bregman und mir, nicht als Lösung zu verstehen. Es ist vielleicht eine Alternative, bestimmt keine für Deutschland (um diese missbräuchliche Nutzung des Wortes direkt zu klären, wir brauchen Milliarden von kleinen Lösungen und Alternativen für uns Menschen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt), jedoch zur Werbung und ihrer aktuell schwierigen Kommunikation. Ich denke, dass wir hier nicht nur eine Branche haben, die sich selbst hinterfragen muss, sondern eine Gesellschaft. Die Bedürftigen können die Kommunikation selbst in die Hand nehmen. Ein tolles Beispiel ist die Firma Yellotools aus Windeck. Sie nutzen jede Möglichkeit, um mit ihren Kunden zu kommunizieren. Ihr Motto?
We love, what you hate!
Yellotools
Wie interessant, in diesem Zusammenhang, dass sie unter anderem Werkzeuge für die Werbeindustrie herstellen. Sie greifen die Probleme der einzelnen Kunden auf und „laborieren“ gemeinsam mit allen Kunden an Lösungen, die ab einem gewissen Punkt für eine Vielzahl von ihnen so gut ist, dass man dafür bezahlt. Dass diese Produkte, auch kurzerhand weiterentwickelt werden können, ist allen klar. Eine klare Kommunikation und viele, viele Alternativen für eine treue Kundschaft. Eine gute Idee? Es gibt inzwischen viele Unternehmen, die so mit ihren Kunden kommunizieren. Leider sind es im Verhältnis zu „breiten Masse“, einfach noch zu wenig. Wir hoffen das Beste und ich freue mich über jedes weitere Unternehmen, dass ich mit einem oder vielen Plänen B, C oder D entdecke. Ich möchte abschließend noch auf eine Passage aus Rutger Bregman’s Buch „Utopien für Realisten“ hinweisen:
Was auch immer wir uns selbst über Meinungsfreiheit einreden, unsere Wertvorstellungen haben eine verdächtige Ähnlichkeit mit denen der Unternehmen, die sich die beste Werbezeit leisten können. Hätte eine politische Partei oder eine religiöse Sekte auch nur einen Bruchteil des Einflusses der Werbeindustrie auf uns und unsere Kinder, so wären wir längst auf den Barrikaden. Aber da es der Markt ist, bleiben wir „neutral“.
Rutger Bregman, Utopien für Realisten, 2021
Diese Entwicklung kann nur bedingt zufrieden stellend sein. Denk mal darüber nach, was in Deinem Unternehmen, egal ob Inhaber, Führungskraft oder Mitarbeiter, an Alternativen hat. Wie sieht Eure Kommunikation mit dem Kunden aus?
Danke für Dein Interesse