Warum nicht schon im Kindergarten?!

Wie können wir eine gemeinsame Weiterentwicklung fördern? Diese Frage stellt sich auf verschiedenen Ebenen. Sollen wir in den Unternehmen ansetzen, wo die Menschen bereits berufstätig sind? Oder sollen wir schon in der Uni oder der Berufsschule anfangen, wo die Menschen sich auf ihre Karriere vorbereiten? Oder sollen wir noch früher eingreifen und in der weiterführenden Schule die Grundlagen für eine gemeinsame Weiterentwicklung legen? Vielleicht sollten wir sogar schon in der Grundschule oder im Kindergarten damit beginnen, die Kinder für dieses Thema zu sensibilisieren. Doch wer hat die Kompetenz und die Verantwortung, eine gemeinsame Weiterentwicklung zu fördern?

Was ist Weiterentwicklung?

Vielleicht klären wir erstmal, was gemeinsame Weiterentwickelung ist? Fragt man die KI von Bing, weicht diese aus, wie man im Bild sehen kann. Teamentwicklung, da gibt es was zu berichten, allerdings mit „Fokus auf den Gruppenerfolg“. Während der Recherche für diesen Beitrag, denke ich oft: Das kann doch gar nicht sein, oder?

Ich nutze gerne Bing Discover für die Recherche, da die Zusammenfassung gut funktioniert. Man muss jedoch immer noch die doppelte Prüfung mit anderen Such-Methoden durchführen.
Community of Practice

Eine Community of Practice (CoP) ist eine Gruppe von Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema begeistern oder ein gemeinsames Anliegen verfolgen und die sich regelmäßig austauschen, um gemeinsam zu lernen. Diesen Begriff prägte der Sozialtheoretiker Etienne Wenger, der CoPs als eine Form des sozialen Lernens konzipierte. CoPs können die Organisationsentwicklung unterstützen, indem sie das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter erweitern, die Innovationskraft und Kreativität fördern und die Kooperation und das Vertrauen verbessern. Wenger untersucht in seiner Studie über CoPs, wie solche Gruppen entstehen, funktionieren und sich wandeln. Er erforscht auch die Bedeutung von CoPs für das Lernen und die Identitätsbildung der Mitglieder. Sein Ziel ist es, ein theoretisches und praktisches Verständnis von CoPs zu entwickeln und zu stärken.

Wo finden wir schon heute solche Communitys?

Communities of Practice begegnen uns heute überall im Alltag und in verschiedenen Organisationen. Zum Beispiel können Lehrerinnen, die sich über neue Methoden oder Materialien für den Unterricht informieren möchten, eine Community of Practice bilden. Oder Softwareentwicklerinnen, die sich über die neuesten Technologien oder Herausforderungen in ihrem Bereich austauschen möchten, können eine Community of Practice gründen. Communities of Practice können sowohl online als auch offline stattfinden und sind oft selbstorganisiert und unabhängig von Vorgaben. Sie bieten den Mitgliedern eine Möglichkeit, ihr Wissen zu teilen, zu erweitern und anzuwenden. Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Community of Practice ist das Morgentreffen bei Stommel Haus.

Morgentreffen bei Stommel Haus.
Was macht das Morgentreffen aus?

Wie kommen diese Communitys in einen guten und motivierenden Austausch? Was bewegt eine solche Community zur gemeinsamen Weiterentwicklung? Wer gemeinsame Probleme hat, möchte diese auch gemeinsam lösen. Die Lösung von echten Problemen zu ermöglichen, bedeutet eben auch, Selbstwirksamkeit zuzulassen und Menschen den notwendigen Raum für eigene Ideen zu geben. Das muss nicht von einer Führungskraft überwacht werden, wenn die Community offen und konstruktiv über die Ideen nachdenken kann.

Austausch

Der Austausch und mögliche Diskussionen zu den Lösungsvorschlägen finden meistens in Gesprächen nach Bedarf statt. Es geht nicht darum, solche Vorschläge in der Gruppe zu diskutieren, sondern alle über den Stand der Problemlösung zu informieren und neue Erkenntnisse und Erfahrungen mit allen zu teilen. Dort lernen wir, was bei anderen gut funktioniert, nicht um es dann selbst nicht mehr zu machen, sondern um zu wissen, wo sich mögliche Fallstricke in der Lösungsfindung befinden können. Das, was bei den Morgentreffen und in der gemeinsamen Weiterentwicklung sehr viel ausmacht, sind die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Was sind zwischenmenschliche Beziehungen?

Alfred Adler war ein österreichischer Psychologe, der eine Theorie der zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelte. Er glaubte, dass Menschen ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Kooperation haben, und dass sie sich ständig weiterentwickeln und verbessern wollen. Er nannte dieses Streben nach Vollkommenheit „Lebensstil“. Adler sah die zwischenmenschlichen Beziehungen als einen wichtigen Faktor für die Gestaltung des Lebensstils an. Er meinte, dass Menschen durch ihre Beziehungen zu anderen lernen, sich selbst und die Welt zu verstehen, und dass sie dadurch ihre Fähigkeiten und Potenziale entfalten können.

Minderwertigkeitskomplexe

Er erkannte auch, dass zwischenmenschliche Beziehungen Probleme verursachen können, wenn sie gestört oder unerfüllt sind. Er nannte diese Probleme „Minderwertigkeitskomplexe“, die sich in Gefühlen von Unsicherheit, Angst oder Aggression äußern können. Er meinte, dass Menschen diese Komplexe überwinden können, indem sie sich ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst werden, und indem sie positive und konstruktive Beziehungen zu anderen aufbauen. Er betonte die Bedeutung von Empathie, Respekt und Vertrauen in der Kommunikation mit anderen.

Fehlerkultur

Einer der ersten Psychologen, der die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen für die Arbeit in Teams erkannte, war Adler. Er meinte, dass Teams nur dann erfolgreich sein können, wenn sie eine gemeinsame Vision haben, und wenn sie einander unterstützen und ermutigen. Er glaubte, dass zwischenmenschliche Beziehungen die Basis für eine gute Fehlerkultur sind, in der Fehler als Lernchancen und nicht als Versagen angesehen werden. Adler meinte auch, dass zwischenmenschliche Beziehungen die Quelle für Innovation und Kreativität sind, da sie den Austausch von Ideen und Perspektiven ermöglichen.

Quelle: Ixitixel in der Wikipedia auf Deutsch - http://www.sonoma.edu/psychology/psychart.htm A Public Domain Library of Famous Psychologists, Sonoma University
Was hat das mit Systemtheorie zu tun?

Die Systemtheorie von Luhmann ist ein Ansatz, der die Welt als aus autopoietischen Systemen bestehend betrachtet, die sich von ihrer Umwelt abgrenzen und durch Kommunikation operieren. Die Organisationsentwicklung ist ein Konzept, das geplanten sozialen Wandel in Organisationen umsetzen will, indem es gruppendynamische Prozesse und die Organisationskultur berücksichtigt. Gerhard Wohland, Lars Vollmer, Mark Poppenborg und Intrinsify sind Vertreter einer Denkweise, die sich mit der Bewältigung von Komplexität und Dynamik in Organisationen beschäftigt. Sie setzen sich für eine selbstorganisierte, sinnstiftende und lernende Arbeitswelt ein.

Systemtheorie von Luhmann

Sie bietet eine theoretische Grundlage für die Analyse und Gestaltung von Organisationen in einer komplexen und dynamischen Umwelt. Sie zeigt, wie Organisationen als soziale Systeme ihre eigene Identität und Ordnung schaffen und erhalten können. Die Organisationsentwicklung bietet eine praktische Methodik für die Einführung von Veränderungen in Organisationen, die auf die Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten eingeht. Sie fördert die Partizipation, Reflexion und Innovation in Organisationen.

Wie kommt das zusammen?

Die Zusammenhänge zwischen diesen verschiedenen Ansätzen sind vielfältig und fruchtbar. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Systemtheorie von Luhmann bietet einen Rahmen für das Verständnis von Organisationen als autopoietischen Systemen, die durch Kommunikation operieren und sich an ihre Umwelt anpassen.
  • Die Denkweise von Wohland, Vollmer, Poppenborg und Intrinsify bietet eine Vision für eine selbstorganisierte, sinnstiftende und lernende Arbeitswelt, die auf Komplexität und Dynamik reagiert.
  • Die Community of Practice bietet ein Modell für das gemeinsame Lernen und Handeln in Organisationen, das auf dem Austausch von Wissen und Erfahrungen basiert.
  • Die Individualpsychologie bietet eine Perspektive für das Verständnis des Individuums als einzigartig und unteilbar, das seine Lebensziele, sein Gemeinschaftsgefühl und seinen Lebensstil verfolgt.
  • Die Denkweise des Kaizen bietet eine Philosophie für die ständige Verbesserung und das kontinuierliche Lernen in Organisationen, das auf dem Prinzip der kleinen Schritte beruht.
In Kombination

Diese Herangehensweisen lassen sich kombinieren, indem man sie als komplementär und nicht als konkurrierend betrachtet. Sie können einander bereichern und verstärken. Zum Beispiel kann man die Systemtheorie von Luhmann mit der Community of Practice verbinden, indem man Organisationen als Netzwerke von Communities of Practice versteht, die durch Kommunikation operieren. Oder man kann die Organisationsentwicklung mit der Individualpsychologie verbinden, indem man die Beteiligten als Individuen mit eigenen Lebenszielen, Gemeinschaftsgefühl und sozialen Rollen betrachtet.

Komplexität und Dynamik

Solche Denkweisen können helfen, die Komplexität und Dynamik von Organisationen zu erfassen und zu gestalten. Sie können auch dazu beitragen, die Lern- und Veränderungsfähigkeit von Organisationen und ihren Mitgliedern zu fördern. Indem man verschiedene Perspektiven auf Organisationen integriert, kann man ein umfassenderes und differenzierteres Verständnis von organisationalen Phänomenen erlangen und angemessene Interventionen entwickeln.

Der Schlüssel

Kommunikation ist der Schlüssel zu jeglicher gemeinsamen Weiterentwicklung, denn sie ermöglicht uns, unsere Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse mit anderen zu teilen. Durch Kommunikation können wir Verständnis, Unterstützung und ein verbessertes Selbstwertgefühl erfahren. Kommunikation ist aber auch eine Fähigkeit, die wir trainieren und verbessern sollten, um als Gemeinschaft besser Probleme zu lösen. Dazu gehört nicht nur das Reden oder Schreiben, sondern auch die Auswahl des richtigen Kanals, die Anpassung an die Situation und die Zielgruppe und das aktive Zuhören. Kommunikation erfordert auch Sensibilität für die Emotionen und Erwartungen der anderen, denn nur so können wir Respekt und Vertrauen aufbauen.

Vertrauen und Kommunikation

Vertrauen und Kommunikation gehören inhärent zusammen, denn ohne Vertrauen gibt es keine ehrliche und offene Kommunikation. Kommunikation hat auch einen großen Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen in Organisationen, Marken und Kunden. Eine gute Kommunikation fördert die Zusammenarbeit, die Kreativität und die Kundenzufriedenheit. Eine schlechte Kommunikation hingegen führt zu Konflikten, Frustration und Misserfolg.

Keine Krabbenkörbe

Deshalb sollten Organisationen statt Wettbewerb, Karriere und Krabbenkörbe lieber eine Community of Practice ermöglichen, in der die Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können. Dabei sollten sie die Systemtheorie und Kaizen-Denkweise nicht vergessen, die besagen, dass alles miteinander verbunden ist und dass man ständig nach Verbesserung streben sollte. Die gemeinsame Weiterentwicklung gibt viel Raum für Innovation und exponentielles Wachstum der Persönlichkeiten im Unternehmen.

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Wo fangen wir eigentlich an?

Es würde Sinn ergeben, diese Denkweisen schon im Kindergarten, der Grundschule und auch weiterführend anzubieten, weil sie den Kindern und Jugendlichen helfen könnten, sich selbst besser zu verstehen, ihre Potenziale zu entfalten, ihre Beziehungen zu anderen zu verbessern und ihre Umwelt aktiv mitzugestalten. Diese Denkweisen könnten auch die Lernmotivation, die Kreativität, die Problemlösungsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen fördern. Außerdem könnten sie dazu beitragen, eine offene, tolerante und kooperative Gesellschaft zu schaffen, die sich ständig weiterentwickelt. Selbst die Organisationen der Zukunft sind auf diese Menschen angewiesen, wenn wir mit KI, Robotern und Hightech arbeiten möchten, sollten wir selbst nicht an der Startlinie stehen bleiben.

Vielleicht denken die Entscheider in den aktuellen Bildungseinrichtungen mal über einen geschickten Weg nach, wie man solche Themen in den regulären Unterricht integriert bekommt …


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