Was kannst Du tun, um weniger zu tun zu haben?

Geile Frage, oder? 😅👍 Na, jetzt aber mal im Ernst. Wer möchte nicht mehr Zeit, für die schönen Dinge im Leben zur Verfügung haben? Als Kind wurde mir immer gesagt, dass ich mich beeilen sollte bei der Arbeit. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Was für ein Unsinn, denke ich heute. Die Zeiten haben sich geändert, oder? Ich denke, nicht die Zeiten, sondern die Sichtweisen haben sich in einigen Unternehmen geändert. Es geht schließlich nicht darum, einfach nur viel zu tun zu haben. Es geht um Wertschöpfung für den Kunden. Was soll das jetzt wieder heißen? Effizienz, Effektivität und schneller, weiter, höher? Nein, auch das wird gerne missverstanden.

Der Unterschied zwischen Arbeit und Beschäftigung

Es geht erstmal um den Unterschied zwischen Beschäftigung und Arbeit, den ich gerne auseinander halten möchte. Wie Lars Vollmer mir immer wieder „einhämmert“, wenn ich eines seiner Bücher lese, oder einen Podcast mit ihm höre. Welche Tätigkeiten kennst Du in Deiner Firma, die nur der Beschäftigung, also dem Selbstzweck dienen? Einen Tagesrapport, in dem minutengenau die Handgriffe des Gesellen notiert sind, „damit der Chef weiß, was er abrechnen kann.“ Am Ende ist es ein sehr teurer Versuch, den Mitarbeiter dazu zu bringen, sich selbst zu überwachen. Funktioniert in der Regel nicht, da der Mitarbeiter auf keinen Fall seine Fehlzeiten korrekt bucht. Wer verpfeift sich schon selbst? Warum dieser Aufwand? Wenn der Mitarbeiter einen Standard-Prozess ausführen kann, gibt es keine großen Zeitdifferenzen. Um den Kollegen, jedoch den notwendigen Entscheidungsraum und die Übungszeit zuzugestehen, um solche Prozesse zu entwickeln und kontinuierlich weiterzuentwickeln, dazu benötigt es oft massive Veränderungen am Organisations-Rahmen.

Was können Führungskräfte tun?

Hier können Führungskräfte nicht mit Tischkickern und Matetee auftrumpfen, sondern hinhören, respektieren, unterstützen und vertrauen. Manche Kollegen werden Fehler machen und andere werden ihre Ziele spielend erreichen. Warum? Es gibt eben solche und solche. Der eine plant seit Jahren Modelleisenbahnen und baut diese in akribischer Kleinarbeit. Ein anderer ist Kassenwart im örtlichen Sportverein und trifft auch dort Entscheidungen im fünfstelligen Bereich. Natürlich gibt es auch jene, die nach der Arbeit zu Hause im Fernsehprogramm versinken und einfach nicht aus ihrem Schneckenhaus kommen wollen. Sie alle werden anders auf den Entscheidungsfreiraum reagieren. Anschließend, weißt Du jedoch, wen Du wo unterstützen kannst, damit irgendwann alle gute Entscheidungen treffen können.

Eine erste Idee vom Problem, also dem Business-Theater, habe ich in Lars Vollmers Buch „Zurück an die Arbeit“ gefunden. Einige sehr spannende Impulse zum Weg dahin, fand ich in „Reinventing Organisations“ von Frederic Laloux.
Sind wir von Natur aus faul?

Jetzt gibt es Menschen, die behaupten, dass die Kaizen-Philosophie oder wie auch immer Du es nennen möchtest, etwas für faule Menschen ist. Ich finde, das kann man im groben so stehen lassen. Wer keine Lust hat des Arbeitens wegen zu arbeiten, der macht sich Gedanken, wie er mit weniger Aufwand zum Ziel kommt. Finde ich schon immer spannend, was mich fasziniert, ist die Zeit, die am Ende übrig bleibt. Die kann ich jetzt nutzen, um etwas zu tun, was nicht notwendig ist. In dem Moment habe ich die absolute Freiheit, zu entscheiden. Mich ggf. auf neue Wege begeben, meine Gedanken zu sortieren und neue Herausforderungen zu suchen. Auch einfach mal nichts tun und regenerieren ist eine sehr gute Sache. Wer mit ständig neuen Situationen umgehen muss, der sollte darin geübt sein und sich fokussiert und reflektiert um seine Aufgaben kümmern.

Zwischenfazit

Also ein Zwischenfazit: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, Du Dich nicht im Business-Theater beschäftigen musst, sondern Deiner Arbeit nachgehen kannst, ist der Anfang schon mal gemacht. Hast Du jetzt noch ein Gefühl dafür entwickelt, was Verschwendung ist und was nicht, kannst in täglichen kleinen Schritten trainieren, wie man diese Verschwendungen vermeiden kann. Natürlich kannst Du nur verändern, was Du auch verantwortest. Du kannst niemand anderen Verbessern oder Verändern. Du kannst, wenn Du die Verantwortung trägst, in Deinem Verantwortungsbereich den Rahmen bestimmen, in dem andere sich bewegen können. Was sie darin tun, kannst Du durch Dein eigenes Verhalten, als Verantwortlicher beeinflussen. Bist Du nicht verantwortlich, kannst Du Wünsche äußern und begründen. Anfangen solltest Du jedoch mit allem, was Du selbst verantwortest. Hinterfrage, was Du tust und ändere, was Dich nervt. Wie findest Du heraus, was Verschwendung ist? Indem Du vom Kunden aus denkst. Was würdest Du zahlen wollen, wenn Du Dein Kunde bist? Nehmen wir als Beispiel das Zähneputzen. Stell Dir vor, Du stehst vor dem Spiegel im Badezimmer.

young woman cleaning teeth in bathroom
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Wertschöpfung beim Zähneputzen

Du öffnest den Spiegelschrank und nimmst Dir Zahnbürste und Zahnpasta heraus. Ist das schon Wertschöpfung für Deine Zähne? Nein, alles Vorbereitung. Jetzt drückst Du einen Klecks Zahnpasta auf die Zahnbürste und machst die Zahnpasta nass. Ist das Wertschöpfung für Deine Zähne? Nein, immer noch nur Vorbereitung. Jetzt führst Du die Zahnbürste in den Mund und beginnst die Zähne sorgfältig zu putzen. Ist das Wertschöpfung? Ja, und zwar ab dem Moment, wo die Zahnpasta die Zähne berührt. Wenn die Zahnbürste mit Unterstützung der Zahnpasta und den Bewegungen des Armes die Zähne reinigt und pflegt, dann findet die Wertschöpfung statt. Schaffst Du es, die gesamte Vorbereitung kontinuierlich zu verbessern und die Qualität der Reinigung zu steigern, ohne die Sicherheit der Zähne zu verschlechtern, dann wird der Prozess immer kürzer und die Zähne immer gepflegter.

Jetzt weiß Dein Lebenspartner oder Deine Mutter nicht, dass Du diesen Weg der kontinuierlichen Verbesserung eingeschlagen hast. Was könnte jetzt passieren? Du verschwindest erst jahrelang immer ca. 10 Minuten zum Zähneputzen im Bad und plötzlich nur noch 9, 8, 7, 6 und irgendwann 4 Minuten. Was wird wohl ihr erster Gedanke sein? „Die faule Sau putzt sich die Zähne nicht mehr ordentlich, so schnell wie das geht, werden die Zähne vielleicht gar nicht mehr geputzt !?“ Na toll, jetzt hast Du Dich verbessert und Verschwendung vermieden und was hast Du davon? Misstrauen und Beschuldigung.

Wie ist das in Unternehmen?

In Unternehmen ist das manchmal ähnlich. Du wirst immer schneller und hast Zeit für Dinge, an die Du vorher nicht mal denken konntest. Klar, das bietet viel Raum für Missverständnis. Aus diesem Grund stellen die Kollegen bei Stommel Haus ihre Verbesserungen im Morgentreffen vor. Dort können sich alle Kollegen ein Beispiel nehmen, sie werden eingeladen, selbst zu verbessern. Man bekommt Rückmeldungen aus dem gesamten Team und kann damit weiter an den Verbesserungen arbeiten. Auch die möglichen neuen Tätigkeiten werden so deutlich und auch hier sind alle eingeladen, sich einzubringen.

Eine enorme Verbesserung, dieser Wagen, der Materialien und Maschinen optimal für die Arbeiten an den Deckenbalken in unserer Manufaktur bereithält. Er hat uns einige Stunden Zeit eingespart. Weniger Suchen und immer direkt griffbereit wurden hier auch die Gesundheit geschont.
Mein Fazit

Wenn Du Verbesserungen bei Dir und Deinen Prozessen erzielst, dann sprich darüber. Lass Deine Kollegen und Vorgesetzten daran teilhaben und fordere Rückmeldungen ein. So kannst Du noch besser reflektieren und möglicherweise auch Verbesserungen für Deine Kollegen erzielen. Verstecke Deine Bemühungen nicht und erkläre, was Du mit der Veränderung erreichen möchtest. Es ist eine erwartbare Reaktion von Kollegen, wenn sie erstmal misstrauisch sind. Doch lass Dich nicht verunsichern. Die Zeiten, wo man für den „internen Wettbewerb“ die Verbesserungen zur Wahl des Mitarbeiters des Monats aufgespart hat, die sind hoffentlich vorbei. Sollte das in Deiner Firma noch so sein, kannst Du auch das mit Offenheit, Transparenz und Teilhabe verändern. Ein Versuch ist es immer wert …