Willkommen im „Tal der Tränen“…

Da hat man als Unternehmen einen mutigen und ambitionierten Start hin gelegt. Hat einen Umbruch beschlossen und den größten Teil der Belegschaft ins „Boot“ geholt. Die richtigen Ansätze gefunden, um alte Gewohnheiten gemeinsam zu bekämpfen und das ständigen „Unternehmens-Diäten-Jojo“ durch eine nachhaltige Weiterentwicklung der Organisation ersetzt. Alle haben das Gefühl sie könnten, sprichwörtlich, Bäume ausreißen. Das Betriebsklima hellt ungemein auf und die Kommunikation blüht, als wäre Frühling in allen Teams. Kurz gesagt, es läuft!

So sollte man zumindest annehmen. Und im Endeffekt tut es das auch, jedoch gibt es immer genug Kollegen, denen das nötige Vertrauen fehlt. Diese Kollegen haben das Gefühl, dass es nur noch schlimmer wird. Sie sehen vor lauter „Baustellen“ kein Ziel mehr in Sichtweite. „Wir reden und reden und es passiert trotzdem nichts.“ oder „Warum machen wir nicht erstmal so weiter wie bislang, wenigstens so lange bis der Zeitdruck und der Stress wieder weg sind?!!“ Gut, es ist nicht einfach damit um zu gehen, hat jedoch auch niemand behauptet. Diese Umstände sind nicht erst seit Gestern vorhanden, der digitale Wandel, die Veränderung der Gesellschaft und mit ihr auch die der Kundenanforderungen. Der Markt und die damit verbundenen Menschen erfordern das.

Es ist genau dieser permanent andauernde Zeitdruck und der unerträgliche Stress, der die Geschäftsführung dazu bewegt hat, mutig ein Umdenken zu erwirtschaften. Ja genau, erwirtschaften! Wer meint, ein solcher Wandel im Unternehmen kommt so locker und lässig im „Google-Ruder-Boot-Launch-Büro“ daher, der hat sich mächtig verkalkuliert! Nein, es bedarf einen großen Aufwand und immense Anstrengungen, gleich ob finanziell oder zwischenmenschlich. Garantiert kein Spaziergang.

Schauen wir mal auf eine ähnliche Situation. Man hat sich vorgenommenen das Rauchen endlich aufzuhören. Der Beschluss steht und wird nach dem lesen einiger lehrreicher Bücher und dem wirklich gut durchgeführten Hypnose-Kurs in die Tat umgesetzt. Brilliant erkannt, hat man die Prinzipien von Tag eins des Nichtraucher-Daseins an geändert. Man hört nicht irgendwie sechs Monate lang mit dem Rauchen auf, sondern ist von Tag eins an ein Nichtraucher. Soweit, so gut. Jetzt kommen aber die alten Gewohnheiten um die Ecke gebogen. Gesellschaft, ein leckerer Drink, die Pause nach einem stressigen Vormittag. Man verspürt ständig dieses Verlangen. Ist irgendwie nicht so einfach, wie man sich das Eingangs vorgestellt hat.

Willkommen im Tal der Tränen! Ja, irgendwie sehr theatralisch, jedoch hat sich diese Bezeichnung in der Lean-, Agil- und Change-Szene etabliert. So nennt man oft die Phase, in der manchen Kollegen, einfach mal den Mut verlieren und das Gefühl bekommen, da muss man jetzt wieder zu den „bewehrten“ alten Mitteln greifen. In alte und bekannte Muster zurück fallen. Das vermittelt kurzfristig Sicherheit, doch hilft es nachhaltig?! Mir persönlich, läuft es bei jedem dieser Anflüge, eiskalt den Rücken herunter. Zu Anfangs habe ich jedes mal panisch reagiert und reflexartig alles herunter „gebetet“, was mir an Prinzipien und Mutmachern eingefallen ist. Man sollte diese „Panik Attacken“ nicht ignorieren, da sie mitunter eine zerstörerische Eigendynamik entwickeln können. Solange der Geschäftsführer jedoch einen kühlen Kopf behält und seiner Mannschaft das nötige Vertrauen schenkt, ist alles auf einem guten Weg. Auch ich bin da entspannter geworden. Noch niemand hat seine Ernährung umgestellt ohne Heißhunger-Attacken oder das Rauchen ohne „Schmacht“ besiegt. Es ist in der Regel eine Sucht, die man in den Griff bekommen muss. Egal ob es Heroin, Computer-Spiele, Nikotin, Smartphones, Facebook, Alkohol oder im schlimmsten Fall „weißer“ Zucker ist, wir neigen zur Abhängigkeit. Weil es uns kurzfristig Glück beschert. Aber langfristig zerstören diese Dinge unsere Gesundheit. Wir müssen, wollen wir sie in gesundem Maße nutzen, erlernen sie nur dann zu nutzen, wenn sie Sinn machen. Oder wir verzichten ganz. Ich habe Bekannte, die seit Jahren auf Geburtstagen oder zu einer Hochzeit mal ein „Zigarettchen“ rauchen. Kein Problem, sie beherrschen das. Ich versuche weitestgehend auf weißen Zucker zu verzichten, warum jedoch nicht mal ein Schokoriegel essen?! Kein Problem. Ich verfolge weiter meine Linie in Sachen Ernährung.

Wenn wir das auf den Umgang mit alten Gewohnheiten im Management unserer Unternehmen transportieren, dann stellt sich mir die Frage: Wann macht die Anwendung von alten Gewohnheiten vielleicht doch einen Sinn? Eigentlich ganz klar! Immer dann, wenn eine Situation vorherrscht, in der die Angewohnheit schon mal erfolgreich angewendet wurde. Wir neigen jedoch schnell dazu, die Dinge zu verallgemeinern. Was für das eine Problem eine Lösung ist, kann richtig angewendet, für alles eine Lösung sein. So, oder ähnlich denkt man dann gerne mal. Schnell reagieren wir gereizt und verlieren die Geduld. Wenn wir an diesem Punkt angelangt sind, dann ist die Gefahr sehr groß, dass wir das Vertrauen in uns und unser Handeln verlieren.

Immer wenn jemand um mich herum den Mut und das Vertrauen verliert, dann versuche ich ihn daran zu erinnern, warum er das alles schaffen kann. Wenn wir uns dann noch gemeinsam den Sinn vor Augen halten, dann mag das banal klingen, jedoch kann es Berge versetzten.

Wenn eines sicher ist, dann das nach jedem Tal ein Berg kommt. Jedoch muss uns auch klar werden, dass nach jedem Berg irgendwann wieder ein Tal kommt. So ist das Leben nun mal. Da werden wir immer wieder durch müssen. Die Frage ist, wie gehen wir damit um?

Der letzte Satz in Frederic Laloux’s Buch Reinventing Organizations ist eine alte Indianer Weisheit:

Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben.

Das hat mich sehr beeindruckt, denn es macht mir klar, nur wir können das schaffen. Niemand kann uns dabei helfen, wir können uns nur selbst helfen. Wenn wir nicht bereit sind zu lernen, dann können uns andere viel erzählen. Nur wenn wir uns selbst das nötige Vertrauen schenken, werden uns auch andere Menschen vertrauen. Unsere Kunden, unsere Geschäftspartner und ganz besonders unsere Familien.


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